Wir empfehlen: The Square von Ruben Östlund. Eine Satire auf die zeitgenössische Kunstszene. Es geht um die Eitelkeit eines Hochkulturbetriebs und die Relevanz von moderner Kunst in einer Zivilgesellschaft, deren Werte in der Auflösung begriffen sind. Im Zentrum steht die Figur des erfolgreichen Kurators Christian, dem auf dem Weg zur Arbeit Handy und Brieftasche gestohlen werden. Sein Entschluss, mittels eines Serienbriefes den mutmaßlichen Dieb in einer Sozialbausiedlung zu enttarnen, hat verhängnisvolle Folgen. Der selbstverliebte Christian verliert spektakulär die Kontrolle über sein bisheriges, souverän gelebtes Leben und geht letztlich geläutert hervor.
Selbstinszenierung ohne wahren Kern bleibt Makulatur
Die doppelbödige Komik dieses sehr raffinierten und zugleich hochmoralischen Films speist sich aus einem Aspekt, mit dem wir uns zwangsläufig bei der Entwicklung von Marken und Markenpersönlichkeiten auseinander setzen – dem Spannungsverhältnis von Inszenierung, Storytelling und Authentizität. Das Lächerliche, was sowohl die Hauptfigur des Films bisweilen bis zur Unbehaglichkeit aus- und als Verantwortlicher auf das fiktive X-Royal-Museum abstrahlt, begründet DLF-Kritiker Rüdiger Suchsland so: „Christian ist ein unauthentischer Mensch – so ein bißchen ein sozialer Hochstapler.“ Tatsächlich probt Christian vermeintlich spontane Reden und gibt in einem Interview an, mit seiner Arbeit seiner demokratischen Verpflichtung nachzukommen, Kunst einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. In der gleichen Szene jedoch erweist sich das als reine Makulatur: Auf die verschämte Bitte der Journalistin, ihr einen (vollkommen verklausulierten) Text von der Homepage des Museum zu erläutern, ist selbst er als Autor dazu nicht in der Lage. Es ist beileibe nicht die einzige entlarvende Szene, so dass wir Zeugen einer fast tragischen Selbstinszenierung werden, die misslingen muss, weil sie keinen wahren Kern hat.
„It’s fake!“
Auch für Marken ist es ein schmaler Grad zwischen notwendiger Selbstinszenierung und Authentizitätsversprechen. Markenversprechen zu brechen, mag nicht immer selbiges mit dem Genick der Marke tun. Dennoch ist nichts peinlicher, als als Fake wahrgenommen zu werden. Der Bahn-Klassiker „3 Minuten sind 3 Minuten zu viel“ war seinerzeit zum PR-Supergau verdammt. Wenn die BVG heute bewusst in ihrer Kampagne mit den unübersehbaren Schwächen des Verkehrsunternehmens spielt, wird eine Charme-Offensive daraus. Im Kleinen hat es Hans Brinker vorgemacht: The Hostel that could’t care less, but we will try. Gemeinsam mit der großartigen niederländischen Agentur KesselsKramer hat Hans Brinker mit erfrischender Ehrlichkeit seine Defizite zum USP gemacht, Markenversprechen: What you see is what you get, und das ist nicht besonders viel, aber eben billig. Scheint zu funktionieren, jedenfalls expandiert Hans Brinker nach Lissabon. Und Spaß machen Auftritt und Kampagne ohnehin.
© KesselsKramer
Authentizität ist keine Gefahr
Marken dürfen ihren Adressaten ruhig mehr Urteilskraft zutrauen. Die meisten Menschen spüren Dissonanzen ohnehin sehr schnell – im wahren Leben wie im Kontakt mit Unternehmen. Folgerichtig dürfen sich letztere kommunikativ und markenstrategisch durchaus mehr trauen. Authentizität ist nicht gefährlich, sondern macht sympathisch und ist zumutbar – wenn auch nicht in der gleichen Intensität wie in The Square. Im Höhepunkt des Films verliert sich scheinbar ein Performancekünstler in seiner Rolle – und wird zum Gegenbild zu Christian. Mehr sei an dieser Stelle nicht verraten: lieber selbst sehen!